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27. September 2024
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von meinem Probe-Abschied und einem Escape-Room.
Wie beim Escape-Room handelt es sich beim Probe-Abschied um einen künstlerisch inszenierten Erfahrungs- und Erlebnisraum, wo du anhand von Hinweisen dich orientierst und durch physisches Ausprobieren entdecken kannst.
Das Ziel ist jedoch das Gegenteil. Während der eine Raum schon die Idee des Entkommens als englischen Namen trägt, bietet der andere Raum die Gelegenheit in die Tiefe zu tauchen und zu sich selbst zu kommen. Ausserdem ist bisher noch niemand dem Tod entkommen…
Interessant wird es beim Faktor Zeit.
In einem Escape-Room spielst du gegen sie – bist du zu langsam, hast du verloren.
Während optimal 4 Stunden und 4 Minuten – so die Dauer eines Probe-Abschieds – hast du Zeit, dir Zeit zu nehmen, um über deine verbleibende Zeit nachzudenken, was wir uns von Zeit zu Zeit erlauben sollten. Wer weiss schon, wie lange wir leben?
5. Juli 2024
Umgang mit Minderheiten.
Das Thema Grenzen beschäftigt mich noch immer. Seien es eigene Grenzen, die Grenzen von Anderen oder Ausgrenzung.
Aus Angst vor Ausgrenzung habe ich mich lange Zeit angepasst. Erlebnisse in der Kindheit, im Jugendalter und als Erwachsene, liessen mich spüren, wie es sich anfühlt als Einzelperson diskriminiert zu werden. Mein wahres Wesen war offensichtlich unzumutbar. Passend die Sprüche aus der Gesellschaft: Gib dir Mühe. Reiss dich zusammen. Hast du dich nicht im Griff?
Mich haben schon immer Menschen interessiert, die ihr wahres Ich zeigen und sich zumuten, ich fühle mich regelrecht von ihnen angezogen. Wo früher eine Sehnsucht dahinter steckte, ist es heute meine Verbundenheit mit Individuen, die sich offen zeigen. Ich bin berührt von dieser Entwicklung und dankbar.
Trotz allem vermeintlichem Frieden mit dieser Thematik, ertappte ich mich kürzlich in Aufregung. Angriff auf Minderheiten, lassen mich reflexartig in die Presche springen. Im Gespräch über sie verteidige ich sofort ihre Stimme und auch in Handlungen bin ich zur Stelle und stehe für sie ein. Ich mag diese Eigenschaft an mir. Da ist aber auch eine Wut auf die «Täter», ein Unverständnis, das mich ohnmächtig zurücklässt.
Ich bin dem nach, um den Ursprung dieser Energie zu ergründen.
In aller Individualität bleibt das Grundbedürfnis des Dazugehörens, das ist natürlich. Die Definition und das eigene Empfinden sind variabel. Das reicht von der situativen Gruppendynamik bis zur globalen Definition von Erdenbewohnern – ja sogar Wesen des Universums. Wenn ich also von einer Menschengruppe ausgegrenzt werde, bezieht sich das auf die momentane Situation, dabei bleibe ich ein Wesen des Universums. Dann stellt sich die Frage, ob ich mich eingrenzen möchte, um zu einer bestimmten Gruppe zu gehören. Ich bin mir sicher, dass ein Grossteil davon sich aus Angst vor Ausgrenzung dazugesellt. Das ist in meinen Augen doppelt anstrengend. Unter dem Deckmantel der Angepasstheit schlummert die Unsicherheit weiter. Diese äussert sich dann lieber in auffälliger Diskriminierung, um die Tarnung zu verstärken. Schlussendlich macht sie das zu den eigentlichen Opfern.
Ich bin froh, diesen Schritt in die individuelle Freiheit gemacht zu haben und in diesem Feld weiter forschen zu dürfen – komm doch auch!
25. Juni 2024
Lebendigkeit durch Widerstand.
Gestern ist mir wieder mal beim Spazieren meinen Blog in den Sinn gekommen und wieso ich eine Schreibblockade hatte.
An einem Fest bin ich jemandem begegnet, der mir sagte, dass er meinen Blog lese und ich unbedingt weiter machen soll. Zack – Blockade.
Ich kenne das schon aus anderen Situationen, wo ich ermutigt, motiviert oder gebeten wurde etwas zu tun. Weil ich es als Druck oder gar Zwang wahrnahm, spürte ich Widerstand und Unlust.
Ganz im Gegensatz dazu das Verbotene, enge Regeln und Einschränkungen. Da wird meine Lebendigkeit geweckt und meine Fantasie blüht auf. Mein Verstand sucht sofort nach Grauzonen. Was ist noch möglich, wo gibt es Wege und Optionen? Plötzlich bin ich wach und präsent.
Ich halte am grossen Weiher im Wald inne und betrachte das klare Wasser. Eine ungewöhnliche Feder zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie treibt gerade so weit draussen auf der Wasseroberfläche, dass ich ein Stück schwimmen müsste. In meinem Verstand sogleich zwei Szenarien: Ich entkleide mich und schwimme nackt hinaus oder ich wünsche mir sie herbei. Die erste Option ist irgendwie provokativ und vor allem proaktiv. Letzteres wäre so widerstandslos, jedoch eine tolle Bestätigung für meine Fähigkeit zu wünschen.
Unentschlossen warte ich ab und werde ruhig. Plötzlich weht Wind herüber und treibt die Feder in meine Richtung. Ich schmunzle. Dann droht sie jedoch unter den tiefhängenden Büschen zu meiner linken zu verschwinden. Rasch sind Schuhe, Socken und Hose ausgezogen und ich wate im matschigen Weiherboden hinterher. Ich erwische sie, bevor es unangenehm wird. Beschenkt mit einer speziellen Feder und frischer Lebendigkeit, steige ich ans Ufer.
Was ist in dir gerade lebendig?
18. März 2024
Göttin meiner Welt.
Achtsame Räume sind für mich Wellnessurlaube.
Gestern endete das Format Liebeszeit und Sinnlichkeit, wo sich auch die Teilnehmenden mit eigenen Workshops einbringen dürfen.
Obwohl ich einen anspruchsvollen Workshop im Gepäck habe, bereiten mir die viereinhalb Stunden reine Autofahrt ein flaueres Gefühl im Magen. Zu meiner Entlastung, motiviere ich ein bekanntes Pärchen aus meiner Nähe, sich auf die Reise einzulassen.
Ich fühle mich sofort zu Hause angekommen, weil ich den Ort kenne, mir die Menschen aus dem Organisationsteam bekannt sind und auch einige Gesichter aus ähnlichen Formaten wieder auftauchen. Meine Gefährten finden sich in ihrem Tempo im Neuland zurecht, was mich erleichtert davonschweben lässt.
Mit meiner frisch-ehrlich und offen-gwundrigen Art spüre ich, wo Verbindung entsteht und ich mich einlassen möchte. Damit es mir nicht zu langweilig wird, bietet sich rasch ein Lernfeld an, wo ich an meinem Thema mit Grenzen arbeiten darf. Weil die Grundregel in solchen Räumen das Bewahren eigener und anderer Grenzen ist, fühle ich mich unterstützt. Orte, wo vieles sein darf, ziehen verschiedene Menschen an. Als freiheitsliebendes Wesen fühle ich mich durch besonders bedürftige und anhängliche Individuen rasch eingeengt.
In einer Pause fixiert mich ein Solches mit seinem Blick, umhüllt mich mit Worten, die kaum Platz für Interventionen bieten und vereinnahmt mich mit seiner Energie. Da spüre ich es wieder mal – diese feine Ahnung, mein Gegenüber könnte sich gerade in mir täuschen, falsche Annahmen machen. Obwohl ich das ungute Gefühl trage, wische ich den Mikrohinweis beiseite und gefalle ihm mit meinem Einlassen auf sein aufgegriffenes Thema. In mir ist auch der Anteil, der mir anerkennend auf die Schulter klopft und meine Fähigkeit, mich mit den unterschiedlichsten Menschen verbinden zu können, lobt.
Der nächste Workshop beginnt und die Leiterin simuliert mit einer Versuchsperson den groben Ablauf der Übung. Der optionale Körperkontakt mit einer Hand, dafür viel Vertrauen und Offenheit braucht es dazu. Ich fühle Unbehagen, weil ich realisiere, dass ich mit meiner unreflektierten Anpassung in der Pause, eine Erwartungshaltung ausgelöst habe. Instinktiv habe ich mich schon bei der Einführung ein wenig entfernt positioniert, doch ich spüre die bedürftige Energie in meinem Feld. Als es zur Partnerfindung kommt entsteht der Wunsch mit einer Frau in die Übung zu gehen. Aus Mangel sehe ich mich rasch anderweitig um und blicke erleichtert in die warmen Augen eines Mannes. Ja, er ist es. Ich spüre eine Last abfallen und doch bleibt das ungute Gefühl, jemand anderen zu enttäuschen. Um dieses Gefühl zu verdeutlichen, bleiben ein paar wenige ohne Partner – unter anderem mein Pausen-Gegenüber. Vor der Gruppe zeigt er auf mich und sagt, dass es abgemacht war mit mir zusammen zu sein und er das nicht versteht. Wie unangenehm denke ich, und entgegne, dass es für mich nur eine Unterhaltung war. Eine Frau bietet sich an, doch er verlässt beleidigt den Raum. Als wir uns für die Zweierübung einrichten, steht er plötzlich wieder vor mir und fragt mich, was das sollte. Wir sprechen nach dem Workshop, sage ich bestimmt und erwarte, dass er den Raum wieder verlässt. Zu meinem Unbehagen richtet er sich jedoch eine Matte in Hördistanz ein. Ich wäge ab, wie ich damit wiederum umgehen möchte. Mein Herz klopft aufgeregt, ich nehme einen tiefen Atemzug und schüttle das kurz ab. Meinem Gegenüber teile ich mit, wie ich fühle und wie schwierig die Situation für mich gerade auszuhalten ist. Ich werde mich auf mich und die Verbindung mit ihm konzentrieren und die Umgebung möglichst ausblenden. Seine ruhige Präsenz und die Tiefe der Übung, lassen mich wieder in den Fluss tauchen.
Das anschliessende Gespräch ist herausfordernd und sogleich erleichternd, weil ich um eine Erkenntnis reicher bin. Ich möchte gefallen – aber um welchen Preis? Dieser Preis war entschieden zu hoch für alle Beteiligten. Es bringt nichts, wenn ich anschliessend enttäuschen muss, nur weil ich im Vornherein mein Gegenüber in eine Täuschung tapsen lasse.
Vielleicht war dieser Prozess gerade für meinen anstehenden Workshop «Mich zeigen – Vielfalt erleben» wichtig. Tiefe, schwere Themen wollen sich zeigen und mir hilft es, die Resonanz in mir wahrzunehmen und direkt zu spiegeln. Die Erfahrung aus verschiedenen Räumen und Bereichen in meinem Leben, helfen mir bei der Improvisation. Gleichgesinnte Menschen unterstützen mich im Halten des Raums in meinem Neuland. Die Gruppe ist gross und das Thema herausfordernd. Ich bin berührt von der positiven Resonanz und der grossen Vielfalt.
Gestärkt und zufrieden gebe ich mich der neuen Energie hin und freudig melde ich mich für eine Darbietung auf der Abendbühne. Gleichzeitig spüre ich das Bedürfnis nach Rückzug und Regeneration. Mir hilft das Alleinsein, um mich auszugleichen. Im nahegelegenen Wald finde ich Ruhe – äussere und innere. Neu entdecke ich die Fähigkeit des entspannten Beieinanderliegens mit einer Vertrauensperson.
Das Forum gegen Ende versetzt mich in eine Beobachterrolle meines Lebenslaufs. Die Idee ist, in die Mitte des Kreises zu treten und das zu teilen, was in dir gerade lebendig ist. Ich warte, bis ich selbst einen Impuls wahrnehme und trete ein. Da weint es los. Schluchzend erkläre ich, dass dieser Einstieg nicht die Absicht war und fahre fort von meiner Geschichte zu erzählen. Wie ich mich als Aussenseiterin gefragt habe, wo ich zu Hause bin und vor fünfeinhalb Jahren meine Welt in achtsamen Räumen (ich streue hier doch mal das vorbelastete Wort «Tantra» rein), gefunden habe. Weil ich zwischen diesen sicheren Inseln der Zugehörigkeit manchmal fast zu ertrinken drohte, baute ich mir nach und nach eigene Inseln und lernte zu schwimmen. Mir gefällt das Sinnbild, denn es passt zu meiner Vorstellung vom Fluss des Lebens.
So begegnete ich am verlängerten Wochenende meinem aufgebauten Leben, nur dass es serviert wird und ich nicht selbst zu kochen brauche – Wellness pur!
Ein herzliches Dankeschön an alle wundervollen Menschen, die diese Räume der Achtsamkeit ins Leben tragen!